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Die Auswirkungen von neun Monaten im All auf den menschlichen Körper

by Michael Blaser
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Die Herausforderung der Schwerelosigkeit

Die Astronauten Suni Williams und Butch Wilmore sind zurück auf der Erde. Doch was hat der neunmonatige Aufenthalt im All mit ihrem Körper gemacht?

Zeit im Weltraum zu verbringen und die Erde aus einer unvergleichlichen Perspektive zu sehen, ist ein Traum vieler Menschen.

Doch der menschliche Körper hat sich über Millionen von Jahren an die Schwerkraft der Erde angepasst. Ein längerer Aufenthalt in der Schwerelosigkeit kann Jahre der Erholung erfordern.

Suni Williams und Butch Wilmore verbrachten unerwartet neun Monate auf der Internationalen Raumstation (ISS), obwohl ihr ursprünglicher Aufenthalt nur acht Tage dauern sollte. Jetzt beginnt ihre Genesung.

„Der Weltraum ist das extremste Umfeld, dem sich Menschen jemals ausgesetzt haben, und wir sind nicht dafür gemacht“, sagt Prof. Damian Bailey von der University of South Wales, der menschliche Physiologie erforscht.

Der Aufenthalt im All verändert den Körper – und zunächst fühlt sich das großartig an.

„Es ist wie Urlaub“, sagt Astronaut Tim Peake, der 2015 auf der ISS war.

„Das Herz hat weniger zu tun.

„Muskeln und Knochen haben weniger zu tun.

„Man schwebt schwerelos durch die Raumstation.“

Man kann es sich vorstellen wie wochenlanges Liegen im Bett, ohne jemals aufzustehen – eine Methode, die Wissenschaftler nutzen, um die Auswirkungen der Schwerelosigkeit zu untersuchen.

Der Verlust von Muskel- und Knochensubstanz

Bei Muskeln gilt: Wer sie nicht nutzt, verliert sie.

Selbst einfaches Stehen beansprucht viele Muskeln, um den Körper aufrecht zu halten.

In der Mikrogravitation der ISS ist das nicht nötig.

Muskeln müssen nicht mehr gegen das eigene Körpergewicht arbeiten.

Auch das Herz und die Blutgefäße haben eine geringere Belastung, da das Blut nicht mehr gegen die Schwerkraft gepumpt werden muss.

Mit der Zeit schwächen sich Muskeln, Herz und Blutgefäße ab.

Knochen werden ebenfalls spröder und verlieren an Dichte.

Normalerweise herrscht ein Gleichgewicht zwischen den Zellen, die Knochen abbauen, und jenen, die neue Knochen aufbauen.

Doch ohne die Belastung der Schwerkraft gerät dieses Gleichgewicht durcheinander.

„Jeden Monat verlieren Astronauten etwa 1 % ihrer Muskel- und Knochensubstanz – es ist ein beschleunigter Alterungsprozess“, erklärt Prof. Bailey.

Nach der Rückkehr auf die Erde wird das sofort sichtbar.

Aufnahmen zeigen, wie Astronauten Unterstützung brauchen, um aus der Raumkapsel zu steigen und auf einer Trage Platz zu nehmen.

Deshalb fliegen Astronauten in bester körperlicher Verfassung ins All.

Während ihrer Missionen trainieren sie täglich zwei Stunden auf Laufband, Fahrrad und mit Gewichten, um den Muskelschwund zu verlangsamen.

Jetzt müssen Suni Williams und Butch Wilmore durch intensives Training ihre verlorene Kraft zurückgewinnen.

„Es wird einige Monate dauern, bis sie ihre Muskelmasse wieder aufgebaut haben“, sagt Dr. Helen Sharman, die erste britische Astronautin.

Die vollständige Wiederherstellung der Knochendichte kann hingegen Jahre dauern.

Selbst dann bleibt die Knochenstruktur verändert und kehrt möglicherweise nie ganz in den ursprünglichen Zustand zurück.

Doch nicht nur Muskeln und Knochen sind betroffen – der gesamte Körper verändert sich im All.

Flüssigkeitsverschiebungen und Gleichgewichtsstörungen

Auch die nützlichen Bakterien im Darm, die sogenannte Mikrobiota, verändern sich im Weltraum.

Zudem verschieben sich die Flüssigkeiten im Körper.

Auf der Erde werden Flüssigkeiten durch die Schwerkraft in die Beine gezogen.

In der Schwerelosigkeit steigen sie stattdessen in den Oberkörper und das Gesicht.

Ein geschwollenes Gesicht ist eine der ersten sichtbaren Veränderungen.

Diese Verschiebung kann jedoch auch zu Schwellungen im Gehirn und Veränderungen im Auge führen.

Betroffen sind der Sehnerv, die Netzhaut und sogar die Form des Auges.

Dieses sogenannte „raumfahrtassoziierte neuro-okulare Syndrom“ kann zu verschwommenem Sehen und möglicherweise dauerhaften Schäden führen.

Auch das Gleichgewichtssystem im Innenohr wird beeinträchtigt.

In der Schwerelosigkeit gibt es kein Oben, Unten oder Seitwärts.

Das kann zunächst desorientierend sein – sowohl beim Start ins All als auch bei der Rückkehr auf die Erde.

Tim Peake beschreibt die ersten Tage zurück auf der Erde als besonders anstrengend:

„Die ersten zwei bis drei Tage sind die härtesten.

„Man fühlt sich schwindelig, muss das Gleichgewicht zurückgewinnen und wieder genug Kraft aufbauen, um normal zu gehen.“

Die Rückkehr aus dem All bedeutet für den Körper eine große Herausforderung – und der Anpassungsprozess dauert lange.

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