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Können KI-Warnungen Schneeleoparden vor dem Aussterben retten?

by Michael Blaser
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Textnachrichten sollen Angriffe auf Nutztiere verhindern

In Pakistan hoffen Forscher, mit neuen KI-Kameras Dorfbewohner per SMS zu warnen, wenn Schneeleoparden sich nähern.

Da Schneeleoparden nicht knurren können, beginnt eines dieser Raubtiere zu schnurren, als wir uns nähern.

“Lovely” wurde vor 12 Jahren in der pakistanisch verwalteten Region Gilgit-Baltistan verwaist aufgefunden und gerettet.

Da sie jahrelang gefüttert wurde, lernte sie nie das Jagen und kann deshalb nicht ausgewildert werden.

“Wenn wir sie freilassen, würde sie wahrscheinlich Schafe angreifen und getötet werden”, erklärt ihr Pfleger Tehzeeb Hussain.

Trotz gesetzlicher Schutzmaßnahmen schätzt der World Wide Fund for Nature (WWF), dass jährlich 221 bis 450 Schneeleoparden sterben.

Diese Zahl entspricht einem Rückgang der weltweiten Population um 20 Prozent in den letzten zwanzig Jahren.

Mehr als die Hälfte dieser Todesfälle geschieht aus Rache für verlorene Nutztiere.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass heute nur noch 4.000 bis 6.000 Schneeleoparden in freier Wildbahn leben.

Etwa 300 davon leben in Pakistan, das damit die drittgrößte Population weltweit beherbergt.


KI-Kameras erkennen Leoparden und senden Warnungen

Um diesem alarmierenden Trend entgegenzuwirken, entwickelte der WWF mit der Lahore University of Management Sciences KI-gesteuerte Kameras.

Diese Geräte erkennen Schneeleoparden und senden Dorfbewohnern eine SMS mit der Aufforderung, ihre Tiere in Sicherheit zu bringen.

Mit Solarpanels ausgestattet, stehen die Kameras hoch oben in den kargen Bergen auf fast 3.000 Metern Höhe.

“Schneeleoparden-Territorium”, sagt Asif Iqbal vom WWF Pakistan und zeigt auf frische Spuren im Boden.

Er glaubt, dass die KI-Software bereits neue Hinweise auf das Tier erfasst hat.

Derzeit testet der WWF zehn Kameras in drei Dörfern in Gilgit-Baltistan.

Die KI musste drei Jahre lang trainiert werden, um Menschen, Tiere und Schneeleoparden zuverlässig zu unterscheiden.

Zurück im Tal zeigt Asif am Laptop ein Dashboard mit GIFs – eines davon zeigt mich.

Die KI erkennt mich korrekt als Mensch – in einem anderen Clip wird zusätzlich „Tier“ angezeigt. Ich trage einen dicken Fleece, also verzeihe ich es.

Dann erscheint die wichtigste Aufnahme: ein Schneeleopard, bei Nacht im Infrarotlicht gefilmt.

Ein weiteres Video zeigt einen Leopardenschwanz an einem Felsen. “Das ist ein Muttertier, sie markiert ihr Revier”, erklärt Asif.

Der Aufbau der Kameras in dieser Höhe erforderte viele Versuche und Anpassungen.

Der WWF testete zahlreiche Batterien, bevor er eine fand, die dem Winter standhält.

Eine spezielle Farbe verhindert Lichtreflexionen, damit Tiere nicht gestört werden.

Bei Netzausfällen speichert das Gerät Daten lokal weiter.

Trotz robuster Metallgehäuse wurden mehrere Solarpanels durch Erdrutsche beschädigt und mussten ersetzt werden.


Kulturelle Hürden und Zweifel in der Bevölkerung

Nicht nur die Technik war herausfordernd. Auch das Vertrauen der Menschen musste gewonnen werden.

Einige Dorfbewohner standen dem Projekt skeptisch gegenüber und zweifelten am Nutzen für sich und die Tiere.

“Wir fanden durchtrennte Kabel und Decken über den Kameras”, sagt Asif.

Das Team achtete auf kulturelle Normen und versetzte Kameras, um die Privatsphäre der Frauen zu respektieren.

In manchen Dörfern fehlen noch unterzeichnete Einverständniserklärungen – dort kann das System noch nicht eingesetzt werden.

Der WWF verlangt rechtliche Zusicherungen, dass keine Bilder an Wilderer weitergegeben werden.

Im Januar verlor Sitara alle sechs ihrer Schafe. Ein Schneeleopard griff sie an, nachdem sie oberhalb ihres Hauses weideten.

„Drei bis vier Jahre Arbeit waren an einem Tag zerstört“, sagt sie.

Der Verlust ihrer Lebensgrundlage machte sie tagelang krank.

Auf die Frage, ob die KI künftig helfen könne, sagt sie: „Mein Handy hat tagsüber kaum Empfang – wie soll eine SMS helfen?“

Bei einer Versammlung erklären Dorfälteste in Khyber, dass sich die Haltung gegenüber Schneeleoparden gewandelt habe.

Immer mehr Menschen erkennen ihre Bedeutung für das Ökosystem.

Laut WWF kontrollieren Schneeleoparden den Bestand von Steinböcken und Blauen Schafen.

So verhindern sie Überweidung und schützen die Weideflächen der Nutztiere.

Doch nicht alle sind überzeugt.

„Früher hatten wir 40 bis 50 Schafe – jetzt nur noch vier oder fünf“, berichtet ein Bauer.

„Die Schneeleoparden greifen an, und die Steinböcke fressen das Gras.“

Auch der Klimawandel spielt eine Rolle.

Durch steigende Temperaturen ziehen Bauern höher in die Berge – direkt ins Revier der Schneeleoparden.

Dort werden ihre Tiere häufiger zur Beute.

Unabhängig davon, ob die Dorfbewohner überzeugt sind, zeigen Strafen Wirkung.

Drei Männer wurden 2020 in Hoper Valley verurteilt, weil sie einen Schneeleoparden töteten.

Einer veröffentlichte Fotos des toten Tieres im Internet.


Technik allein kann das Problem nicht lösen

Das WWF-Team weiß, dass KI-Kameras allein nicht ausreichen.

Ab September testen sie Gerüche, Geräusche und Lichtsignale an den Kamerastandorten, um Schneeleoparden fernzuhalten.

Der Einsatz zum Schutz dieser „Geister der Berge“ ist noch lange nicht beendet.

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