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Oxford: Trinkgefäß aus menschlichem Schädel im Einsatz

by Nadine Koller
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Wissenschaftler an der Universität Oxford nutzten jahrzehntelang einen Becher aus einem menschlichen Schädel bei Abendessen. Der Kelch bestand aus einem polierten Schädeldeckel mit Silberfassung und standfuß. Nach und nach diente er nicht mehr für Wein, sondern für Pralinen.

2019 bat Worcester College den Archäologen Dan Hicks um eine Untersuchung des Objekts. Sein Buch Every Monument Will Fall beschreibt die grausame Geschichte des Gefäßes und seine koloniale Herkunft.

Spuren führen in die Karibik

Die Herkunft des Schädels konnte nicht eindeutig geklärt werden. Doch Kohlenstoffdatierungen ergaben ein Alter von etwa 225 Jahren. Größe und Fundumstände deuten auf eine Frau aus der Karibik hin, vermutlich versklavt.

Der Kelch wurde 1946 von George Pitt-Rivers gestiftet, dessen Name auf dem Silber eingraviert ist. Pitt-Rivers war ein bekannter Eugeniker und Unterstützer des Faschisten Oswald Mosley. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er interniert.

Sein Großvater, Augustus Pitt Rivers, hatte den Becher 1884 bei Sotheby’s ersteigert. Ursprünglich stand der Kelch auf Holz mit einer eingelassenen Schilling-Münze von Königin Victoria. Die Silberverzierung stammt aus dem Jahr ihrer Krönung: 1838.

Umgang mit kolonialem Erbe

Das College räumte ein, dass der Schädelbecher im 20. Jahrhundert gelegentlich mit dem Tafelsilber ausgestellt wurde. Nach 2011 kam er kaum noch zum Einsatz, ab 2015 gar nicht mehr. Vor zehn Jahren wurde er vollständig entfernt.

Heute liegt das Objekt im Archiv. Der Zugang ist dauerhaft gesperrt. Die Hochschule berät sich mit Experten und verfolgt einen respektvollen Umgang.

Hicks würdigt diese Entscheidung. In seinem Buch beschreibt er weitere Fälle kolonialer Leichenraubkunst. So entnahm Feldmarschall Lord Grenfell den Schädel eines getöteten Zulu-Kommandeurs nach der Schlacht von Ulundi 1879. Solche Objekte dienten dazu, die Kolonialherren zu ehren – und die Identität der Opfer auszulöschen.

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