Neue Empfehlungen führen zu Verwirrung
Bundesgesundheitsbehörden haben im Mai die Covid-19-Impfempfehlungen für Schwangere geändert. Seither herrscht bei vielen Unklarheit, wer die Impfung noch erhalten darf. Erste Berichte zeigen, dass Apotheken Impfungen verweigern. Dreißig medizinische Organisationen fordern daher weiterhin den Zugang zur Impfung und eine gesicherte Kostenübernahme.
„Wir sind äußerst besorgt über die neue HHS-Politik, die Covid-19-Impfungen während der Schwangerschaft nicht mehr empfiehlt“, heißt es in einem offenen Schreiben von Fachverbänden aus der Gynäkologie, Kinderheilkunde, Pflege und Pharmazie. „Es ist entscheidend, dass Schwangere Zugang zu dieser Schutzmaßnahme behalten, um sich und ihre Neugeborenen zu schützen.“
Die Organisationen rufen Versicherer auf, Covid-19-Impfstoffe ohne Kosten und bürokratische Hürden für Schwangere bereitzustellen – trotz der Streichung von der offiziellen Empfehlungsliste der US-Seuchenschutzbehörde CDC.
Risiko für Mutter und Kind steigt ohne Impfung
Das Schreiben warnt vor erhöhten Risiken für Schwangere mit Covid-19: Aufenthalt auf Intensivstationen, Beatmung, Komplikationen wie Kaiserschnitt, Präeklampsie oder Thrombosen treten häufiger auf. Säuglinge, deren Mütter während der Schwangerschaft infiziert waren, erleiden öfter Atemnot, Frühgeburt oder geringes Geburtsgewicht.
Zwei Wochen zuvor hatte Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. bekannt gegeben, dass die Covid-19-Impfung nicht mehr für Schwangere empfohlen werde. Dabei gelten die Impfstoffe als sicher und wirksam in der Schwangerschaft. Die US-Arzneimittelbehörde FDA stellte zeitgleich ein neues Zulassungsverfahren vor, das Impfungen künftig auf Ältere und Risikogruppen beschränken könnte.
Mediziner warnten direkt nach der Ankündigung vor möglichen Hürden für Impfwillige: Wer ist noch berechtigt? Wird die Impfung weiterhin von Versicherungen gedeckt?
Der US-Apothekerverband erklärte, es gebe bereits Fälle, in denen Apotheken Impfungen abgelehnt hätten.
Persönlicher Bericht: Schwangere vergeblich auf Impfsuche
Die 33-jährige Krankenschwester Leigh Haldeman aus Seattle schildert ihre vergeblichen Versuche, die Impfung zu erhalten. Aufgrund früherer Komplikationen sei eine Auffrischung dringend nötig. Doch zwei Apotheken wiesen sie ab. Dort erklärte man, Schwangere erhielten laut neuer Richtlinien keine Impfung mehr.
„Ich wurde bei beiden Versuchen abgewiesen. Man sagte mir, nur immungeschwächte Personen könnten die Impfung bekommen“, sagte Haldeman. Auf Nachfrage erklärte ein Apotheker, dass eine Schwangerschaft laut neuer Definition nicht mehr als Grund für eine Impfung gelte.
Ihr Hausarzt und ihre Frauenärztin hatten keinen Impfstoff vorrätig. Apotheken führten zuletzt den Großteil der Impfungen durch.
Ein Sprecher einer großen Apothekenkette erklärte, man orientiere sich an aktuellen staatlichen Vorgaben und wolle das Personal stets aktuell informieren.
Haldeman kontaktierte eine weitere Apotheke, schilderte ihre Situation: „Ich bin in der 25. Schwangerschaftswoche. Mein Arzt empfiehlt eine Auffrischung. Können Sie mir die Impfung geben?“ Die Antwort lautete erneut: Nein.
Ein Apotheker riet ihr, sich ein Rezept ausstellen zu lassen. Ihre Frauenärztin schrieb umgehend ein Rezept und übermittelte es der Apotheke. Als Haldeman am Abend dort erschien, sagte man ihr, das Rezept sei nicht eingegangen.
Der Mutterkonzern der Apotheke erklärte, man habe die Impfpolitik der neuen CDC-Leitlinien angepasst. Schwangere mit Vorerkrankungen könnten weiterhin geimpft werden. Der Konzern rät zur individuellen Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.
Impfchaos verunsichert Schwangere und Fachleute
Haldeman zeigte sich frustriert: „Ich habe einen halben Tag mit Anrufen und Terminen verbracht. Die meisten geben vorher auf. Je mehr Hürden man aufstellt, desto weniger lassen sich impfen.“
„Wir wissen, wie gefährlich eine Covid-19-Infektion für die Plazenta sein kann. Deshalb ist die Impfung so wichtig“, betonte sie.
Der US-Apothekerverband kritisierte, die neuen Richtlinien beruhten nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Sicherheit der Impfung während der Schwangerschaft sei mehrfach nachgewiesen.
Allerdings könnten Apotheker berufliche Konsequenzen riskieren, wenn sie gegen Empfehlungen der CDC oder des beratenden ACIP-Gremiums verstoßen, sagte die Verbandsvertreterin Allison Hill.
„Die Änderungen durch HHS und CDC erzeugen Barrieren und Verwirrung“, erklärte Hill.
Gesundheitsminister Kennedy hatte die 17 Mitglieder des CDC-Beratungsgremiums ACIP überraschend entlassen und durch acht neue Experten ersetzt – ohne vorherige Abstimmung. Dies löste heftige Kritik in Fachkreisen aus.
Dr. Tina Tan, Präsidentin der Gesellschaft für Infektionskrankheiten, bezeichnete die Auflösung des Gremiums als „unbegründet“ und warnte vor schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit.
Der Apothekerverband erklärte, der Verlust von 17 erfahrenen Fachleuten bedeute den Verlust wissenschaftlicher Kompetenz und gefährde faktenbasierte Entscheidungen.
Impfungen bieten wichtigen Schutz für Neugeborene
Seit der Änderung befürchten Ärzte, dass weniger Schwangere sich impfen lassen werden – trotz eindeutiger wissenschaftlicher Belege für die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung. Sie warnen auch vor möglichen Auswirkungen auf die Kostenübernahme durch Versicherungen.
Studien zeigen: Säuglinge infizierter Mütter haben ein höheres Risiko für Totgeburt, Atemnot oder niedriges Geburtsgewicht.
„Bei schlechter Gesundheit der Mutter drohen Frühgeburt, geringes Gewicht oder sogar ein früher Verlust des Kindes“, sagte Dr. Flor Munoz-Rivas vom Baylor College of Medicine.
Dr. John Lynch vom Harborview Medical Center ergänzte: „Durch die Impfung der Mutter wird das Neugeborene geschützt, das noch keine eigene Immunantwort hat.“
Da Babys unter sechs Monaten keinen Zugang zur Impfung haben, sei der Schutz über die Mutter besonders wichtig.
„Das erste Lebensjahr ist das gefährlichste“, sagte Muñoz. „Durch Impfung der Mutter lassen sich schwere Verläufe verhindern.“