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Credit Suisse ignorierte frühe Warnungen zu Greensill – Finma-Bericht offenbart massive Aufsichtslücken

by Nadine Koller
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Anonyme Hinweise bereits 2018 – Zweifel an Urteilsvermögen der Führung

Bereits drei Jahre vor dem Zusammenbruch von Greensill Capital erhielten Führungskräfte von Credit Suisse anonyme Warnungen über die Risiken der Zusammenarbeit mit dem australischen Finanzunternehmer Lex Greensill. Dies geht aus einem Bericht der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma hervor, der im Zuge eines Verfahrens vor dem Londoner High Court öffentlich wurde. Der Bericht kritisiert vor allem das mangelhafte Risikomanagement und die unzureichende Kontrolle innerhalb der Bank.

In den anonymen Nachrichten, die bereits 2018 verschickt wurden, äußerten Whistleblower „ernsthafte Zweifel am Charakterurteil“ der Bankmanager und an der Entscheidung, Greensill große Freiheiten über Kundengelder einzuräumen. Besonders kritisch war die Konzentration der Greensill-Kredite auf Firmen im Umfeld des angeschlagenen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta. Der Zusammenbruch anderer, von Greensill unterstützter Fonds beim Asset Manager GAM wurde dabei explizit als Warnsignal genannt.

Interne Kommunikation ignorierte Alarmzeichen – Greensill selbst informiert

Eine der Warnmeldungen wurde intern sogar an Lex Greensill selbst weitergeleitet, mit dem Hinweis: „Leute bei Credit Suisse erhalten anonyme Mails … du musst ernsthaft über deine Kommunikationsstrategie nachdenken!“ Trotz der zunehmenden Hinweise hielten die Verantwortlichen an der Geschäftsbeziehung fest – und verwalteten 10 Milliarden US-Dollar in fondsähnlichen Strukturen auf Basis von Greensills Forderungen.

Wie der Finma-Bericht festhält, waren diese Produkte vor allem auf wohlhabende Privatkunden zugeschnitten – und gerieten mit dem Zusammenbruch von Greensill Capital 2021 vollständig ins Wanken. Die Rückversicherer verweigerten damals die Erneuerung kritischer Policen, was zur Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens führte. Die von Credit Suisse angebotenen Fonds mussten geschlossen werden, Anleger verloren Hunderte Millionen Dollar.

Finma-Bericht legt Missstände offen – UBS kämpft mit Altlasten

Die Finma untersuchte die Vorgänge fast zwei Jahre lang. Ihr Abschlussbericht vom Dezember 2022 belegt, dass sich Credit Suisse über Jahre hinweg wiederholt über Warnungen hinwegsetzte – teils bis Juni 2019, also mitten in der Hochphase von Greensills Expansion. Statt Investitionen verantwortungsvoll zu steuern, finanzierte Greensill laut Bericht unter anderem eine eigene Flotte von Geschäftsflugzeugen, maßgeschneiderte Anzüge für Mitarbeitende und luxuriöse Büroräume – finanziert durch Geld, das eigentlich für Geschäftskredite bestimmt war.

Die Finma warf Credit Suisse im Februar 2023 offiziell vor, ihre aufsichtsrechtlichen Pflichten schwer verletzt zu haben. Nur einen Monat später brach die 167-jährige Bank endgültig zusammen und wurde von UBS in einem Notverkauf übernommen. Die UBS erklärte nun, dass es sich um ein „Altlastenproblem von Credit Suisse“ handle, das sich vor der Übernahme abgespielt habe.

Rechtliche Aufarbeitung dauert an

Der nun veröffentlichte Bericht ist Teil eines laufenden Verfahrens vor dem Londoner High Court, in dem ein ehemaliger Credit Suisse-Fonds den Tech-Investor SoftBank auf 440 Millionen Dollar verklagt. SoftBank soll im Vorfeld des Greensill-Zusammenbruchs in einen undurchsichtigen Deal verwickelt gewesen sein.

Lex Greensill selbst trat diese Woche als Zeuge vor Gericht auf. Ein Sprecher von ihm lehnte jeglichen Kommentar ab.

Die Enthüllungen werfen ein grelles Licht auf die mangelhafte interne Kontrolle und Entscheidungsfindung bei Credit Suisse – und verstärken den Eindruck, dass das Greensill-Debakel ein entscheidender Faktor für den Untergang der Traditionsbank war. Die Aufarbeitung der Schäden läuft unter UBS weiter – doch das Vertrauen ist schwer wiederherzustellen.

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