Die deutschen Wahlen fallen fast auf den dritten Jahrestag von Russlands großflächigem Angriff auf die Ukraine. Der ehemalige ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fordert Europa auf, Putins Bedrohung ernst zu nehmen.
Deutschlands Wahlen und der vergessene Krieg
Einen Tag vor dem dritten Jahrestag der Invasion wählen die Deutschen ein neues Parlament. Dennoch spielt die Unterstützung der Ukraine im Wahlkampf kaum eine Rolle.
Kuleba glaubt, dass sich die Deutschen sicher fühlen und sich einen Krieg in ihrem eigenen Land nicht vorstellen können. „Ihr habt vergessen, wie schnell Frieden verschwinden kann“, warnte er. Auch die Ukrainer hätten einst so gedacht.
Trotzdem lobte er Deutschlands Entwicklung. Seit 2022 hat die Ampelkoalition Deutschland zum zweitgrößten militärischen Unterstützer der Ukraine gemacht.
Die Kontroverse um die Taurus-Raketen
Trotz aller Hilfe überschattet laut Kuleba eine Entscheidung Deutschlands alles andere: Bundeskanzler Olaf Scholz weigert sich, Taurus-Marschflugkörper zu liefern. „In der Politik erinnert man sich an das, was nicht getan wurde“, sagte er.
Kuleba setzte sich immer wieder für die Lieferung ein und kritisierte die Verzögerungen als tödlich. Doch auch nach seinem Rücktritt im Jahr 2024 bleibt eine deutsche Zusage aus.
Er glaubt, dass Scholz eine klare rote Linie gezogen hat. „Er lehnte zuerst Artillerie und Panzer ab, lieferte sie dann doch. Jetzt will er beweisen, dass ‚Nein‘ auch ‚Nein‘ bleibt“, erklärte er. Ob die nächste Regierung das anders sieht, bleibt offen.
Europas Verantwortung und die Realität des Krieges
Kuleba warnt: Sollte die Ukraine fallen, werde Putin die NATO auf die Probe stellen. „Das ist keine Panikmache. Wir kämpfen weiter, aber Europa muss handeln“, betonte er.
Er kritisierte den Westen dafür, Putin seit 20 Jahren nicht gestoppt zu haben. „Sein Ziel ist klar – die Ukraine erobern und den Westen schwächen“, sagte er.
Nach seinem Rücktritt wechselte Kuleba in die Wissenschaft. Heute lehrt er an Harvard und Sciences Po. Er sieht eine große Herausforderung darin, dass viele Menschen die Ukraine weiterhin durch die Brille Russlands betrachten. „Studenten haben oft eine klarere Sicht als Professoren, die in alten Denkmustern gefangen sind“, stellte er fest.
Während die Ukraine dem nächsten Jahrestag des Krieges entgegensieht, dauern russische Angriffe an. Kuleba erinnert sich genau an den 24. Februar 2022. „Krieg erzwingt Entscheidungen – kämpfen oder aufgeben. Ich habe mich für den Kampf entschieden“, sagte er.
Als die Invasion begann, war er im Ausland. Manche rieten ihm, nicht zurückzukehren. Doch er entschied sich anders. „Ich bin in der Nacht des 25. Februar über die polnische Grenze in die Ukraine zurückgekehrt. Ich habe meine Entscheidung nie bereut“, schloss er.