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Grazer Schulen unter Schock: Zwischen Trauer, Angst und der Rückkehr zum Alltag

by Michael Blaser
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Unterricht unter schweren Bedingungen

Nach dem Amoklauf in Graz steht der Schulalltag still. Die Landesberufsschule meldete bereits am Folgetag erste Ausfälle. „Einige Schülerinnen kamen nicht, weil sie Angst hatten“, erklärt Maria S., die seit 25 Jahren an der Landesberufsschule unterrichtet und anonym bleiben möchte. Bereits zwei Bombendrohungen hatten das Kollegium in den vergangenen Monaten belastet. Nun erschüttert die Tat eines ehemaligen Schülers des Borg Dreierschützengasse alle tief. Lehrkräfte und Jugendliche zeigen sich gleichermaßen betroffen.

In der Berufsschule gedachte man der zehn Opfer mit einer Schweigeminute. „Nicht nur die Jugendlichen leiden sehr, auch uns geht es schlecht“, sagt Maria S. Besonders die Jüngeren hätten das Geschehene kaum begreifen können. „Viele fragten immer wieder: Wer ist der Nächste?“ Intensive Gespräche bestimmten den Vormittag. Der reguläre Unterricht rückte in den Hintergrund.


Unterstützung für Betroffene und vorsichtige Rückkehr

Das Borg Dreierschützengasse bleibt bis Montag geschlossen. Eine Rückkehr in die Schule erfolgt langsam und freiwillig. In der List-Halle wurde eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet, an die sich Schülerinnen, Eltern und Lehrkräfte wenden können. Psychologinnen und geschulte Kräfte unterstützen bei der Aufarbeitung des Traumas. Auch in den kommenden Tagen steht nicht der reguläre Lehrstoff im Mittelpunkt, sondern die seelische Betreuung.

Die Bildungsbehörde kündigte an, dass niemand verpflichtet sei, zum Unterricht zu erscheinen. Wer noch nicht bereit sei, gelte automatisch als entschuldigt. Mehrere Teams der schulpsychologischen Betreuung und Krisenintervention sind vor Ort im Einsatz. Zusätzlich stehen individuelle Gesprächs- und Beratungsangebote außerhalb des Unterrichts zur Verfügung.


Sonderregelungen und sensible Prüfungen

Auch die laufende Matura bleibt von der Ausnahmesituation nicht unberührt. Für die Abschlussklassen am Borg Dreierschützengasse gelten spezielle Regelungen. Die Maturantinnen entscheiden selbst, ob sie noch vor dem Sommer oder erst im Herbst zur Prüfung antreten möchten.

An anderen Schulen in Graz herrscht gespannte Wachsamkeit. Auch dort sind viele Schülerinnen von der Tat betroffen – sei es durch persönliche Nähe zu den Opfern oder durch die emotionale Belastung. Die Bildungsdirektion betonte, dass Lehrkräfte in dieser Situation besonders sensibel mit Leistungsfeststellungen umgehen sollen. Der Unterricht wird fortgeführt, doch es wurde bereits ein Informationsschreiben mit Handlungsempfehlungen an die Schulen versandt. Zusätzlich wurde ein Online-Seminar zur Gesprächsführung abgehalten.


Schulalltag als Stabilitätsanker

Krisenmanagerin Susanne Schönlechner, tätig am Akademischen Gymnasium, verweist auf die stabilisierende Wirkung von geregeltem Unterricht. „Ein Stück Normalität gibt Schülerinnen Sicherheit und Halt“, sagt sie. Auch Deutschlehrer Klaus Candussi versucht, Balance zu finden. „Wir haben eine Deutschschularbeit geschrieben, aber mit der Regel, dass niemand dadurch schlechter werden kann. Alle fanden das richtig. Viele wünschen sich wieder Realität“, erklärt er.

In der Landesberufsschule erkennt man nun die Bedeutung von Prävention. „Seit Jahren bereiten wir uns theoretisch auf Bedrohungsszenarien vor“, berichtet Maria S. Doch was bisher nur auf Papier stand, wurde im Borg zur grausamen Realität.


Gesprächsbereitschaft als Schlüssel

Kindern und Jugendlichen müsse man Raum für Gespräche bieten, betont der Kinderpsychiater Paul Plener. Besonders im schulischen Umfeld sei es essenziell, das Geschehen offen anzusprechen. Nur so könne man Ängste ernst nehmen und gemeinsam verarbeiten.

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