Ein Bericht von Corporate Europe Observatory (CEO) zeigt, dass große Tech-Firmen stark an der Entwicklung von EU-KI-Standards beteiligt sind. Laut dem Bericht stellen Unternehmensvertreter und Berater 55 % der Mitglieder des Gemeinsamen Technischen Ausschusses für KI (JTC21), der von den europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC eingerichtet wurde.
Unter den Unternehmensvertretern kommen fast 25 % aus den USA. Dazu gehören je vier Vertreter von Microsoft und IBM, zwei von Amazon und mindestens drei von Google. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind hingegen unterrepräsentiert und machen lediglich 9 % des Ausschusses aus. Diese Ungleichheit wirft Fragen zur Ausgewogenheit und Inklusivität bei der Entwicklung von KI-Standards auf.
Das im August verabschiedete KI-Gesetz, ein Meilenstein zur Regulierung von KI, basiert auf einem risikobasierten Ansatz. Zur Unterstützung des Gesetzes beauftragte die EU-Kommission im Mai 2023 CEN-CENELEC und ETSI mit der Entwicklung harmonisierter Normen, die branchenübergreifend für Produkte von Spielzeug bis zu medizinischen Geräten gelten sollen.
Einfluss privater Akteure auf öffentliche Politik
CEO kritisiert die EU-Kommission dafür, zentrale politische Entscheidungen an private Organisationen zu delegieren. „Zum ersten Mal werden Standards genutzt, um grundlegende Rechte, Fairness und Vertrauenswürdigkeit in der KI zu regeln“, sagte Bram Vranken, Forscher bei CEO.
Normungsgremien konzentrieren sich oft mehr auf Prozesse als auf konkrete Ergebnisse, erklärte JTC21-Vorsitzender Sebastian Hallensleben. Eine CE-Kennzeichnung, die durch die Einhaltung harmonisierter Normen erworben wird, garantiert nicht automatisch, dass ein KI-System frei von Vorurteilen oder Diskriminierung ist.
In Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien untersuchte CEO nationale Normungsgremien. Der Bericht zeigt, dass Unternehmensvertreter in diesen Ländern 56 %, 50 % und 58 % der Mitglieder ausmachen. Diese Dominanz der Wirtschaft verstärkt Bedenken über die Objektivität des Normungsprozesses.
Beschleunigung der Normungsprozesse dringend erforderlich
Die Europäische Kommission betonte, dass CEN-CENELEC-Normen einer genauen Bewertung unterzogen werden, bevor sie in das Amtsblatt aufgenommen werden. Nur Standards, die die Anforderungen des KI-Gesetzes erfüllen, erhalten Anerkennung. Zudem können Mitgliedstaaten und das EU-Parlament Einwände gegen vorgeschlagene Normen erheben.
Trotzdem bleibt das langsame Tempo der Normung ein Problem. Ein hochrangiger Beamter der niederländischen Datenschutzbehörde Autoriteit Persoonsgegevens (AP), die künftige nationale KI-Regulierungsbehörde, warnte, dass der Prozess beschleunigt werden müsse. „Standardisierungsprozesse dauern oft Jahre. Es ist notwendig, das Tempo zu steigern“, sagte er.
Auch Jan Ellsberger, Vorsitzender von ETSI, äußerte sich ähnlich. Er erklärte, dass die Verabschiedung von Normen Monate bis Jahre dauern könne. „Die Normung ist freiwillig. Ein stärkeres Engagement der Industrie könnte den Prozess beschleunigen“, sagte Ellsberger im August.
Der Bericht verdeutlicht den Konflikt zwischen dem dominanten Einfluss von Unternehmen und der Notwendigkeit einer ausgewogenen und rechtzeitigen Normung, um Fairness und Verantwortlichkeit im Bereich der künstlichen Intelligenz sicherzustellen.