Elektrische Impulse als Hilfe bei Abhängigkeit
Chirurgen setzen Hirnimplantate bei Alkoholikern und Opioidabhängigen ein, um zu prüfen, ob elektrische Impulse das Verlangen eindämmen können. Die Studie untersucht, ob diese Stimulation eine wirksame Methode zur Suchtreduzierung ist.
Diese Technologie kommt bereits bei der Behandlung von Parkinson, Depressionen und Zwangsstörungen (OCD) zum Einsatz. Jetzt erforschen Wissenschaftler der Universitäten Cambridge und Oxford sowie des King’s College London, ob tiefe Hirnstimulation auch Suchtdruck mindern und die Selbstkontrolle stärken kann.
„Tiefe Hirnstimulation funktioniert ähnlich wie ein Herzschrittmacher“, erläuterte Professorin Valerie Voon, Leiterin der Studie von der Universität Cambridge. „Wie ein Schrittmacher unregelmäßige Herzrhythmen stabilisiert, glauben wir, dass ein Hirnimplantat abnorme Gehirnaktivität im Zusammenhang mit Sucht normalisieren kann. Diese Studie soll zeigen, ob dies eine praktikable Lösung ist.“
Wachsende Bedeutung von Hirnstimulation
Der Einsatz von Hirnimplantaten zur Behandlung neurologischer Erkrankungen nimmt zu. Weltweit haben mehr als 250.000 Menschen solche Geräte erhalten, um verschiedene Beschwerden zu lindern. Bei Parkinson-Patienten helfen sie, Zittern und unkontrollierte Bewegungen zu reduzieren, indem sie gezielt Impulse an motorische Zentren senden.
Erste Untersuchungen legen nahe, dass diese Technologie auch gegen Alkohol- und Opioidsucht wirksam sein könnte. Wissenschaftler bereiten nun eine groß angelegte klinische Studie vor, um zu prüfen, ob tiefe Hirnstimulation helfen kann, die steigenden Abhängigkeitsraten in Großbritannien und anderen Ländern zu bekämpfen.
In Großbritannien sind Hunderttausende von Alkoholabhängigkeit betroffen, viele leiden zusätzlich unter Depressionen, Angststörungen und anderen gesundheitlichen Problemen. Auch die Opioidabhängigkeit ist ein großes Problem – fast die Hälfte aller tödlichen Überdosierungen resultiert aus dem Konsum von Opiaten wie Heroin und Morphin.
„Schwere Sucht schränkt das Leben erheblich ein, verhindert Arbeitsfähigkeit und erhöht das Risiko einer Überdosis“, betonte Voon. „Doch nicht nur die Betroffenen selbst leiden. Auch Familien, Partner und Kinder sind betroffen. Sucht ist kein individuelles Problem, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung.“
Ablauf der klinischen Studie
Die klinische Studie mit dem Namen Brain-Pacer (Brain Pacemaker Addiction Control to End Relapse) wird sechs alkoholabhängige und sechs opioidabhängige Teilnehmer einbeziehen. Voraussetzung ist eine mindestens fünfjährige Abhängigkeit mit mindestens drei Rückfällen. Außerdem müssen die Teilnehmer bereits gängige Behandlungen wie Medikamente oder Psychotherapie ausprobiert haben.
Die Studie wird an den Kliniken Addenbrooke’s Hospital in Cambridge und King’s College Hospital in London durchgeführt. Bei jedem Teilnehmer wird eine Elektrode in bestimmte Gehirnbereiche implantiert, die für Belohnung, Motivation und Entscheidungsfindung verantwortlich sind. Diese Elektroden werden mit einem Impulsgenerator in der Brust verbunden, der gezielt elektrische Signale sendet, um die Aktivität im Gehirn zu regulieren.
„Das Ziel ist es, das Verlangen zu dämpfen und die Selbstkontrolle zu stärken“, erklärte Voon. Die Studie wird randomisiert durchgeführt, sodass die elektrischen Impulse nicht ständig aktiv sind. Gleichzeitig werden die Forscher die Gehirnaktivität überwachen, um besser zu verstehen, wie Sucht neurologisch gesteuert wird.
Professor Keyoumars Ashkan, Neurochirurg am King’s College Hospital und leitender Chirurg der Studie, betonte die Tragweite dieses Projekts: „Die tiefe Hirnstimulation ist eine vielversprechende Methode mit dem Potenzial, Leben zu verändern. Wenn sich ihre Wirksamkeit bestätigt, könnte das ein Durchbruch in der Behandlung einer Krankheit sein, die sowohl Einzelpersonen als auch die Gesellschaft schwer belastet.“