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Neues AKW in der Schweiz: Pilotprojekt mit kleinem Reaktor sorgt für Kontroversen

by Jerry Jackson
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In der aargauischen Gemeinde Villigen soll ab 2026 ein neuartiger Atomreaktor getestet werden. Der Prototyp stammt vom dänischen Unternehmen Copenhagen Atomics und wird in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Paul-Scherrer-Institut (PSI) betrieben. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines kleinen, sicheren Reaktors, der ab 2030 weltweit kommerziell genutzt werden könnte. Kritiker warnen jedoch vor potenziellen Sicherheitsrisiken.


Ein innovatives Reaktorkonzept für die Zukunft

Der geplante Reaktor unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Atomkraftwerken. Statt Brennstäben nutzt er eine Lösung aus geschmolzenem Salz, in der das spaltbare Material enthalten ist. Diese Bauweise soll laut PSI eine Kernschmelze unmöglich machen. Im Fall einer Überhitzung öffnet sich ein Ventil, das die radioaktive Lösung in ein Sicherheitsgefäß abführt. Dort kühlt das Material von selbst ab, ohne dass externe Maßnahmen nötig sind.

Ein weiterer Vorteil des Reaktors ist seine Vielseitigkeit. Er kann nicht nur mit Uran, sondern auch mit Thorium oder sogar mit Abfällen anderer AKWs betrieben werden. Der kompakte Aufbau ermöglicht es, den gesamten Reaktor in einem Container unterzubringen, der genug Strom für 80.000 Haushalte liefern könnte.

Laut Andreas Pautz, Leiter des Zentrums für Nukleartechnologien am PSI, wird der Testbetrieb mit einer Leistung von nur einem Megawatt starten. Dadurch sei der Gehalt an radioaktiven Substanzen um ein Vielfaches geringer als in herkömmlichen AKWs. Zudem wird der Reaktor durch eine massive Halle und eine Stahleinhausung zusätzlich geschützt.


Kritik und politische Debatten

Das Vorhaben sorgt für erhebliche Diskussionen. Nils Epprecht von der Schweizerischen Energiestiftung betont, dass Forschungsreaktoren trotz ihrer geringeren Größe besondere Risiken bergen, da Erfahrungen fehlen und der Betrieb experimentell ist. Auch Mitte-Nationalrat Reto Nause äußert Sicherheitsbedenken, insbesondere hinsichtlich der Reaktorhülle. Er kritisiert zudem, dass das Eidgenössische Nuklearinspektorat (Ensi) bei Forschungsreaktoren keine standardisierten Prüfverfahren, sondern Einzelfallprüfungen anwendet.

Pautz und das PSI weisen diese Kritik zurück. Das Verfahren sei transparent und erfülle höchste technische und wissenschaftliche Standards. Das Ensi könne zudem auf internationale Expertise zurückgreifen. Eine Empfehlung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), spezielle Richtlinien für Forschungsreaktoren zu erstellen, bestreitet Pautz. Die IAEA habe die Schweizer Aufsichts- und Genehmigungspraktiken als konform mit internationalen Standards eingestuft.

Die Diskussion hat auch das nationale Parlament erreicht. Reto Nause fordert in einer Interpellation vom Bundesrat umfassende Informationen über die Bau- und Genehmigungspläne sowie die Sicherheitsvorgaben für den Testreaktor. Sowohl Epprecht als auch Nause kritisieren, dass die Sicherheitsvorgaben nicht ausreichend geregelt seien.


Blick in die Zukunft: Kommerzialisierung und Skalierung

Das langfristige Ziel von Copenhagen Atomics ist die Serienfertigung der kleinen Reaktoren. An einem Standort könnten mehrere Container-Reaktoren zu einer Einheit zusammengestellt werden, die eine Leistung von einem Gigawatt erreicht – vergleichbar mit modernen großen Atomkraftwerken. Diese flexiblen Anlagen könnten weltweit eingesetzt werden, insbesondere in Ländern mit wachsendem Energiebedarf und begrenztem Zugang zu erneuerbaren Energien.

Während das Projekt ein vielversprechender Schritt für die Entwicklung sicherer und effizienter Kernenergie sein könnte, bleibt die Umsetzung umstritten. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Sicherheits- und Effizienzversprechen des Reaktorkonzepts den hohen Anforderungen genügen.

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