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Tragödie in Ahmedabad erschüttert Vertrauen in Boeing

by Michael Blaser
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Glanzzeit des Dreamliners endet abrupt

Bis zum tragischen Absturz der Air-India-Maschine in Ahmedabad galt Boeings 787 Dreamliner als ausgesprochen sicher. Erst im vergangenen Monat feierte Boeing den milliardsten Passagier dieses Langstreckenflugzeugs – ein bemerkenswerter Meilenstein, da das Modell erst seit 14 Jahren im Einsatz ist. Der Dreamliner galt als verlässliches Rückgrat des weltweiten Fernflugverkehrs und beeindruckte durch seine hohe Betriebssicherheit.

Kein Zusammenhang mit dem 737-Max-Desaster

Bei dem betroffenen Flugzeug handelt es sich nicht um eine Boeing 737 Max. Dieses Modell war 2018 und 2019 nach tödlichen Abstürzen in Indonesien und Äthiopien weltweit in den Schlagzeilen. Damals hatten Softwarefehler die Unfälle ausgelöst und zu einer globalen Stilllegung für 18 Monate geführt.
Im aktuellen Fall aus Indien gibt es bislang keine Hinweise auf technische Versäumnisse von Boeing. Erst nach der Auswertung der Flugschreiber wird man die Ursache sicher kennen.
Piloten mutmaßen derzeit über mögliche Szenarien, wobei viele betonen, dass technische Konstruktionsfehler bei modernen Flugzeugen nur noch selten zum Absturz führen. Abgesehen von den gravierenden Vorfällen mit der 737 Max, geschehen die meisten tödlichen Unfälle laut Experten durch Fehler im Cockpit.

Doppelte Last: Rufschaden und Finanzkrise

Fast alle Passagierjets weltweit stammen entweder von Boeing oder Airbus, denn der Flugzeugmarkt wird von diesen beiden Konzernen dominiert. Dennoch steht Boeing erneut im Zusammenhang mit einem tödlichen Unfall.
Das Unternehmen erklärte, man fühle mit den Opfern, ihren Angehörigen sowie den Einsatzkräften und arbeite eng mit Air India zusammen, um den Vorfall aufzuklären.
Nach Börseneröffnung am Donnerstag fielen die Boeing-Aktien um 5 %.
Dieser neuerliche Schock trifft ein Unternehmen, das bereits im Vorjahr fast eine Milliarde Dollar pro Monat verlor. Grund waren unter anderem Sicherheitsprobleme, Qualitätsmängel und ein siebeneinhalb Wochen andauernder Streik.

Nach einem gravierenden Vorfall im Jahr 2024, als sich bei einem Flug von Alaska Airlines eine Tür während des Fluges löste, zahlte Boeing 160 Millionen US-Dollar Entschädigung. Zuvor hatte der Konzern bereits 428 Millionen US-Dollar an Southwest Airlines überwiesen – als Ausgleich für die wirtschaftlichen Schäden durch das monatelange Flugverbot der 737 Max.

Aufarbeitung und interne Konflikte belasten das Unternehmen

Boeing kämpft nicht nur mit finanziellen Schwierigkeiten, sondern auch mit massiven Zweifeln an seiner Sicherheitskultur. Im April berichtete das Unternehmen, man habe die betriebliche Effizienz durch strikte Fokussierung auf Sicherheit und Qualität verbessert.
Ein ehemaliger Mitarbeiter, der über 30 Jahre als Qualitätsmanager tätig war, warf dem Unternehmen vor, dass gestresste Arbeiter gezielt minderwertige Teile eingebaut hätten. Diese Aussagen machte er in einem Interview mit einem internationalen Nachrichtendienst, der nicht näher genannt werden soll. Der Mitarbeiter nahm sich im März des letzten Jahres das Leben. Boeing bestritt seine Vorwürfe.
Ein weiterer Hinweisgeber, Ingenieur Sam Salehpour, sagte vor amerikanischen Abgeordneten, er sei bedroht und belästigt worden, nachdem er Sicherheitsbedenken angesprochen hatte. Boeing wies darauf hin, dass jegliche Vergeltung strikt untersagt sei und die Zahl interner Meldungen seit Januar um mehr als 500 % gestiegen sei – ein Zeichen für eine neue Fehlerkultur ohne Angst vor Konsequenzen.

Gleichzeitig sieht sich Boeing mit juristischen Konsequenzen der Abstürze in Indonesien und Äthiopien konfrontiert. Erst kürzlich vermied das Unternehmen knapp eine strafrechtliche Verfolgung durch eine Einigung mit dem US-Justizministerium.
Zum Ärger der Hinterbliebenen erklärte das Ministerium, Boeing werde sich des „Versuchs zur Behinderung und Beeinflussung“ der Ermittlungen der US-Luftfahrtbehörde schuldig bekennen und mehr als 1,1 Milliarden US-Dollar zahlen.

Innerhalb der Führungsetage des Unternehmens kam es zu grundlegenden Veränderungen. Der neue Vorstandsvorsitzende Kelly Ortberg kehrte vor einem Jahr aus dem Ruhestand zurück, um den Konzern zu sanieren. Er versprach eine sicherere Unternehmenskultur und äußerte sich kürzlich zuversichtlich, dass Boeing bald wieder Gewinne erzielen werde.
Doch heute muss er sich einer weiteren ernsten Krise stellen.

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