Einst sichtbare Pride-Kampagnen weichen strategischer Zurückhaltung
In den vergangenen Jahren feierten große Marken den Pride Month mit auffälligen Marketingaktionen. Schaufenster wurden mit Regenbogenfarben geschmückt, LGBTQ-Produkte wie T-Shirts und Tassen verkauft, Logos auf Social Media angepasst und Spenden an queere Organisationen öffentlich gemacht.
In diesem Juni bleiben solche Zeichen größtenteils aus.
Viele Unternehmen agieren zurückhaltend und vermeiden auffällige Pride-Kampagnen. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Gravity Research unter über 200 Führungskräften wollen 39 % ihre öffentliche Beteiligung am Pride Month reduzieren. Dazu zählen abgesagte Sponsoring-Engagements, eingeschränkte Social-Media-Posts und reduzierte Pride-Produkte.
Als Hauptgrund nannten Manager die Angst vor Angriffen konservativer Gruppen und mögliche Ermittlungen durch die Regierung von Donald Trump. Bundesbehörden haben bereits angedeutet, dass sie Diversity-Programme verstärkt prüfen wollen.
Politischer Druck bestimmt zunehmend die Ausrichtung von Unternehmen
Auch wenn manche Unternehmen wirtschaftliche Unsicherheiten und Trumps Zollpolitik erwähnen, stellt der politische Druck laut der Umfrage den zentralen Beweggrund dar.
„Der Rückzug wird durch Regierung und nahestehende Gruppen forciert“, erklärte Luke Hartig, Präsident von Gravity Research. „Viele Führungskräfte scheuen sich, öffentlich Stellung zu beziehen.“
Noch vor wenigen Jahren nutzten Konzerne den Juni, um ihre Unterstützung für die LGBTQ-Community offen zu zeigen. Jetzt weichen sie zurück – vor allem wegen des zunehmenden Drucks durch republikanische Politiker und staatliche Stellen.
LGBTQ-Vertreter sehen darin eine Gefahr für Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Der Anteil queerer Erwachsener in den USA liegt inzwischen bei 9,3 %.
„Diese Regierung nutzt Bundesbehörden wie die EEOC und das Justizministerium, um Unternehmen einzuschüchtern“, sagte Eric Bloem von der Human Rights Campaign Foundation. „Das schadet Arbeitnehmern und der Wirtschaft.“
Mehrere Unternehmen haben sich bereits aus öffentlichen Gleichstellungs-Rankings zurückgezogen.
„Wer sich nur dann zeigt, wenn es bequem ist, und bei Gegenwind sofort zurückweicht, verliert Glaubwürdigkeit“, warnte Bloem.
Bud Light und Target dienen als Warnsignal für Unternehmen
Zahlreiche Marken bereiten sich in diesem Jahr gezielt auf mögliche Angriffe während des Pride Month vor.
65 % der befragten Firmen entwickeln laut Gravity Research Strategien, um mit negativer Aufmerksamkeit konservativer Gruppen umzugehen. Handelsriesen wie Walmart, Kroger und Target haben Investoren bereits über die Risiken politisch motivierter Boykotte informiert.
Bud Light erlebte 2023 einen massiven Einbruch der Verkaufszahlen, nachdem eine Kampagne mit der trans Influencerin Dylan Mulvaney Boykotte und Kritik ausgelöst hatte. Die zögerliche Reaktion des Unternehmens verärgerte auch LGBTQ-Aktivisten.
Auch Target wurde zum Ziel rechter Proteste. Das Unternehmen hatte unter anderem Badebekleidung für trans Kund:innen angeboten. Online verbreitete Falschinformationen behaupteten, die Produkte seien für Kinder gedacht. Es kam zu Drohungen gegen Angestellte, woraufhin Target einige Artikel aus dem Sortiment nahm. Darauf folgten Klagen und Umsatzrückgänge.
Schon im vergangenen Jahr verlagerte Target das Pride-Angebot größtenteils ins Internet.
Händler setzen 2025 auf reduzierte Sichtbarkeit
Target verfolgt auch in diesem Jahr eine zurückhaltende Strategie.
Eine limitierte Auswahl an Pride-Produkten – darunter Bücher, Haushaltswaren, Musik, Haustierartikel und Mode – ist nur in ausgewählten Filialen erhältlich. Das vollständige Sortiment gibt es online.
In einer internen Mitteilung betonte ein Unternehmenssprecher erneut das Engagement für Inklusion. Auch interne Programme und die Unterstützung lokaler Pride-Veranstaltungen sollen fortgeführt werden.
Ein leitender Mitarbeiter erklärte jedoch anonym, dass die Begeisterung bei Beschäftigten und Kund:innen spürbar nachlasse. „Es wirkt, als würden wir uns politischer Einflussnahme beugen“, sagte die Person.
Auch Kohl’s zeigt weniger Präsenz. 2023 hatte das Unternehmen eine Pride-Kollektion auf den Markt gebracht und 100.000 Dollar an The Trevor Project gespendet. Die damalige Diversity-Beauftragte hob die Bedeutung der Sichtbarkeit hervor.
In diesem Jahr hat Kohl’s keine vergleichbaren Maßnahmen angekündigt und äußert sich nicht zur Thematik.
Ein weiterer großer Einzelhändler, der 2023 LGBTQ-Marken präsentierte, Spendensammlungen organisierte und an Pride-Paraden teilnahm, führt diese Aktivitäten fort – jedoch ohne öffentliche Bekanntmachung.
Auch Unternehmen wie Gap und Nordstrom, die früher mit Pride-Kampagnen warben, haben bisher keine Pläne für 2025 kommuniziert und keine Stellungnahmen abgegeben.
LGBTQ-Unterstützung verlagert sich nach innen
Trotz des stilleren Auftretens haben viele Unternehmen ihre Unterstützung nicht eingestellt.
„Ich sehe einen Strategiewechsel, keinen Rückzug“, sagte Sarah Kate Ellis, Präsidentin der Organisation GLAAD. „Unternehmen wollen nicht wie Bud Light oder Target zum Ziel werden.“
Statt auf auffällige Werbung setzen viele Konzerne auf interne Maßnahmen. Programme für Mitarbeitende, Diversity-Trainings und Rekrutierungsstrategien rücken stärker in den Fokus.
Nur 14 % der befragten Firmen planen laut Gravity Research, ihr internes Engagement während des Pride Month zu reduzieren. Interner Druck von Beschäftigten sorgt dafür, dass LGBTQ-Themen auf der Agenda bleiben.
„Firmen investieren tiefer in Strukturen statt in Schlagzeilen“, sagte Ellis. „Sie verankern queere Inklusion im Arbeitsalltag – nicht nur im Marketing.“