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US-Forschern gelingt detaillierteste Schaltplan-Karte eines Säugetiergehirns

by Nadine Koller
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US-Wissenschaftler haben die bislang umfassendste 3D-Karte neuronaler Verbindungen im Gehirn eines Säugetiers erstellt. Die Rekonstruktion zeigt die Verschaltung von 84.000 Nervenzellen, über 500 Millionen Synapsen und etwa 5,4 Kilometer neuronaler Leitungen – alles in einem kubischen Millimeter der Sehhirnrinde einer Maus.

Ein neuer Blick ins Gehirn

Das sogenannte MICrONS-Projekt untersuchte nicht nur den anatomischen Aufbau des Gehirns, sondern auch die elektrische Kommunikation zwischen Nervenzellen. Ziel war es, die Informationsverarbeitung im Gehirn besser zu verstehen.

Forschende am Baylor College of Medicine in Texas zeichneten zunächst die Hirnaktivität auf, während eine Maus verschiedene Filme und YouTube-Videos betrachtete. Anschließend wurde der untersuchte Hirnbereich im Allen Institute in mehr als 25.000 ultradünne Schichten geschnitten – jede nur ein Vierhundertstel eines Haares dick – und mit Elektronenmikroskopen hochauflösend abgebildet.

Ein Team der Princeton University nutzte dann künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, um die Daten zu einer vollständigen 3D-Rekonstruktion zusammenzusetzen. Das finale Datenvolumen beträgt 1,6 Petabyte, was etwa 22 Jahren durchgehender HD-Videowiedergabe entspricht.

Neue Erkenntnisse über die Struktur des Gehirns

Dr. Clay Reid, Neurobiologe am Allen Institute, beschrieb das mikroskopisch kleine Hirnareal als „eine wunderschöne Landschaft wie ein dichter Wald“. Die Analyse zeigte nicht nur bekannte Verschaltungsprinzipien, sondern führte auch zu neuen Entdeckungen – darunter bislang unbekannte Zelltypen und ein neues Prinzip neuronaler Hemmung.

Man ging lange davon aus, dass hemmende Nervenzellen generell die Aktivität anderer Zellen unterdrücken. Die neue Analyse zeigt jedoch: Diese Zellen wählen gezielt bestimmte Partner aus, was auf ein koordiniertes Netzwerk aus Steuerung und Zusammenarbeit hinweist.

Ein Bauplan für künftige Hirnforschung

Dr. Nuno da Costa vom Allen Institute vergleicht die Karte mit einem „Google Maps des Gehirns“. Sie könne künftig als Referenzmodell dienen – etwa zum Vergleich von gesunden und erkrankten Gehirnen bei Alzheimer, Parkinson, Autismus oder Schizophrenie.

Dr. David Markowitz von IARPA, der das Projekt koordinierte, nennt die Ergebnisse einen „Meilenstein für die Neurowissenschaften“, vergleichbar mit dem Humangenomprojekt in seiner Bedeutung für die Forschung.

Die Studien wurden in mehreren Artikeln im Fachjournal Nature veröffentlicht. Sie dürften die Forschung zu Gehirn, Künstlicher Intelligenz und neurologischen Erkrankungen in den kommenden Jahren nachhaltig prägen.

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