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Wo alte E-Auto-Batterien wiedergeboren werden und die Zukunft antreiben

by Michael Blaser
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Zerkleinerte Anfänge in einem revolutionären Labor

Ich stehe in einem Labor, in dem Batterieabfälle ein neues Leben erhalten. Zuerst müssen sie zerkleinert werden.

Was hier ankommt, nennt man „Black Mass“ – ein feines Pulver, das entsteht, wenn Batterien fast vollständig zermahlen werden. Jedes Korn ist kleiner als ein Millimeter. Techniker bei Altilium, einem Recyclingunternehmen im Südwesten Englands, extrahieren nun wichtige Materialien aus diesem dichten, schwarzen Pulver.

Das Pulver enthält Kunststoff- und Stahlreste, die entfernt werden müssen. Noch wichtiger sind jedoch die wertvollen Stoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt und Graphit. Diese seltenen Materialien bilden die Grundlage für neue Batterien, die hier im Labor entstehen.

Während sich die Klimakrise verschärft, wandelt sich das globale Energiesystem. Länder entfernen sich zunehmend von fossilen Brennstoffen und setzen auf erneuerbare Energien wie Sonne und Wind. Immer mehr Haushalte ersetzen Gasheizungen durch Wärmepumpen. Immer mehr Autofahrer steigen auf batteriebetriebene Elektrofahrzeuge um.

Die Internationale Energieagentur meldet, dass 2023 fast jedes fünfte verkaufte Auto elektrisch fuhr. Das entspricht einem Anstieg von 35 % gegenüber 2022 und erhöhte die Zahl der Elektrofahrzeuge weltweit auf 40 Millionen. Dieser Boom hat die Nachfrage nach Batterien und deren Materialien stark erhöht.

„Mineralien kommen nur an wenigen Orten vor“, sagt Christian Marston, Präsident von Altilium. Über die Hälfte des weltweiten Nickels stammt aus Indonesien, zwei Drittel des Kobalts aus der Demokratischen Republik Kongo – beide Länder stehen wegen Menschenrechtsproblemen beim Bergbau in der Kritik.

Daher suchen Forscher und Unternehmen nun nach alternativen Rohstoffquellen. Recycling ist eine Möglichkeit, wenn auch technisch sehr anspruchsvoll. Das Team von Altilium glaubt, eine tragfähige Lösung gefunden zu haben.


Im Inneren von Altilium: Von schwarzem Pulver zu batteriefähigen Metallen

Altiliums Betrieb befindet sich im bescheidenen Ort Tavistock. Um dorthin zu gelangen, muss man über die windigen Hügel des Dartmoor fahren und gelegentlich Schafen ausweichen. Das Gebäude liegt auf einem unscheinbaren Industriegebiet, gegenüber einer Reifenwerkstatt. Doch drinnen geschieht Außergewöhnliches.

Im Labor reihen sich Glasröhren mit leuchtend blauen und grünen Flüssigkeiten aneinander. Ein Techniker in weißem Kittel und Schutzbrille überwacht aufmerksam den Prozess.

Dies ist das Lösungsmittellabor des Unternehmens, in dem Techniker wertvolle Metalle aus der „Black Mass“ zurückgewinnen.

Altilium nahm Ende 2020 seine Arbeit auf. „Wegen Covid haben wir zwei Jahre verloren“, erinnert sich Marston. 2022 mietete das Team das Gebäude in Tavistock. „Es war nur eine leere Halle“, sagt Technikchef Ben Wickham. Sie errichteten Labore und entwickelten ihr Recyclingverfahren. Drei Jahre später eröffnet das Unternehmen eine größere Anlage nahe Plymouth, die recycelte Materialien an Batteriehersteller liefern soll.

Weltweit gibt es nur wenige Unternehmen, die Batterien aus alten Elektroautos recyceln. Diese Projekte bringen uns näher an null Emissionen und an eine Kreislaufwirtschaft, in der kaum noch etwas verschwendet wird.

„Wir müssen den Mythos beseitigen, dass Batterien auf der Mülldeponie landen“, betont Marston. Immer mehr Elektroautos erreichen das Ende ihrer Lebensdauer, was zu mehr ausgedienten Batterien führt. Durch Recycling gelangen teure und giftige Stoffe nicht in die Umwelt.


Globale Bewegung und der Aufstieg der Kreislaufwirtschaft für Batterien

Auch in den USA gewinnt Batterierecycling an Bedeutung. Unternehmen profitieren vom Inflation Reduction Act der Biden-Regierung aus dem Jahr 2022, der Klimamaßnahmen fördert. Li-Cycle, 2016 gegründet, betreibt Werke in Kanada, den USA und Deutschland.

Redwood Materials, 2017 von einem ehemaligen Tesla-Mitgründer gegründet, unterhält Standorte in Nevada und South Carolina. Es kooperiert mit Herstellern wie Toyota, VW und BMW. Auch ältere Firmen wie Ecobat Solutions in Texas experimentieren inzwischen mit Batterierecycling.

Trotz wachsendem Interesse bleiben große Herausforderungen. „Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien steht noch ganz am Anfang“, sagt Xiaochu Wei, Forscherin am Imperial College London.

Das deutsche Unternehmen BASF setzte 2024 sein Batterierecyclingprojekt in Spanien vorerst aus, plant aber weiterhin den Bau.

Die Komplexität der Batterien erschwert das Recycling. Jede Batterie besteht im Wesentlichen aus einer Anode und einer Kathode. Beim Entladen gibt die Anode negativ geladene Elektronen ab, die durch einen Stromkreis zur Kathode zurückkehren. Beim Laden fließen die Elektronen in die entgegengesetzte Richtung.

Diese Bauteile bestehen aus dünnen, spiralförmig gewickelten Schichten – wie eine Schweizer Roulade. Anoden bestehen meist aus Graphit – wie in Bleistiften –, während Kathoden oft Nickel, Lithium und Kobalt enthalten.

Trotz der technischen Hürden bieten Batterien wertvolle Materialien, deren Rückgewinnung sich lohnt. Die Rohstoffe sind eng vermischt und teilweise gefährlich: Einige Metalle sind giftig und können Brände oder Explosionen verursachen.

Altiliums Zerkleinerungsprozess gewinnt Graphit aus den Anoden sowie andere Mineralien zurück. Früher war dafür ein emissionsreicher Hochtemperaturprozess nötig. Heute nutzt Altilium ein wasserbasiertes Verfahren namens Hydrometallurgie. Dabei wird die „Black Mass“ in Schwefelsäure eingeweicht, wodurch das Graphit herausgefiltert werden kann. Nach weiterer Verarbeitung kann es wieder verkauft werden.

Zurück bleibt eine saure Flüssigkeit mit gelösten Metallen. Unedle Metalle wie Kupfer, Aluminium und Eisen lassen sich durch Anpassung des pH-Werts als graues Pulver abtrennen, das als Füllstoff für Baustoffe genutzt werden kann.

Dann folgt die Rückgewinnung der wertvollen Metalle – Nickel, Kobalt und Mangan. Die Flüssigkeit wird mit Kerosin und speziellen Chemikalien gemischt, die die Metalle gezielt aus der Lösung ziehen – durch die bunten Glasröhren, die ich im Labor sah.

Wickham erklärt, dass Altiliums flexibler Ansatz mit den sich ständig ändernden Batteriezusammensetzungen Schritt hält. „Die Batterietechnologie entwickelt sich rasant“, sagt er. Er glaubt, dass Nickel wegen seiner hohen Energiedichte immer wichtiger wird – auch wenn einige Hersteller wegen der hohen Kosten auf andere Materialien umsteigen.

Altilium trennt die Metalle einzeln und liefert die gewünschten Mischungen an Batteriehersteller. Ziel ist eine geschlossene Lieferkette für E-Auto-Batterien im Vereinigten Königreich.


Ein strategischer Rohstoff für künftige Volkswirtschaften

„Irgendwann muss jede Batterie zerkleinert werden“, sagt Anna Hankin, Dozentin für Chemietechnik am Imperial College London. Sie und Wei arbeiten an einem von Altilium geförderten Projekt. Das chemische Auffrischen von Batterien sei nur begrenzt möglich.

Marston sieht im Batterierecycling einen Beitrag zur Energiesicherheit Großbritanniens. Statt Altbatterien in Länder mit schlechteren Umweltstandards zu exportieren, will er sie im eigenen Land recyceln. „Wenn wir hier recyceln, bleibt der Wert hier“, sagt er.

Anstatt neue Rohstoffe wie Lithium oder Nickel zu fördern, können wir die vorhandenen Ressourcen wiederverwenden. Forscher schätzen, dass bis 2040 über die Hälfte des Bedarfs durch Recycling gedeckt werden kann.

In den nächsten fünf bis zehn Jahren könnte Recycling laut Wei 10 bis 40 % der Rohstoffbedarfe für E-Auto-Batterien abdecken. Sie fordert, dass Batterien künftig so gestaltet werden, dass ihre Einzelteile leichter trennbar sind.

Ein erfolgreicher Ausbau des Recyclings könnte laut einem Bericht von 2024 den weltweiten Bergbaubedarf bis 2050 um 40 % senken. Weltweit entwickeln Regierungen neue Vorgaben. Die EU führte 2023 eine neue Batterieverordnung ein, die ab 2025 strengere Recyclingquoten und Materialanforderungen vorschreibt.

Es geht nicht nur um Umweltschutz. Die geopolitische Lage hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verschärft. Ereignisse wie der Brexit oder protektionistische US-Politik haben den Welthandel verändert. Staaten, die stark von Rohstoffimporten abhängen, sind verwundbar.

„Die Zukunft gehört den Ländern, die kritische Mineralien kontrollieren“, sagt Marston. Großbritannien besitzt keine nennenswerten eigenen Vorkommen. Deshalb sieht er die Batterien im Land als strategische Ressource.

Altiliums neue Anlage soll bald rund um die Uhr produzieren. Wenn das gelingt, sind zwei weitere, größere Werke geplant.

„Wenn wir Batterien im großen Maßstab recyceln, können wir Materialien liefern, die rund 20 % günstiger sind als neue“, erklärt Marston. Das entspräche jährlich etwa 150.000 recycelten E-Auto-Batterien.

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