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Zollschock im Weinhandel: Winzer zwischen Reben und Risiko

by Michael Blaser
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Arbeit zwischen Reben und Unsicherheit

Im nassen Boden eines burgundischen Weinbergs arbeitet Élodie Bonet konzentriert unter leichtem Frühlingsregen. Mit einer kleinen Schere und ihren Fingern entfernt sie überzählige Triebe an den jungen Reben.

„Die Pflanze soll ihre Kraft in die Triebe mit den Blüten stecken, an denen später die Trauben wachsen“, erklärt sie.

Ein Stück weiter oben, in Morey-Saint-Denis, empfängt Winzerin Cécile Tremblay Besucher in ihrem Weingut. Im Keller, umgeben von Eichenfässern und jahrzehntealten Flaschen, schenkt sie stolz einen ihrer Rotweine ein.


Exportmarkt USA: Hoffnung und Risiko

Tremblay verkauft über die Hälfte ihrer Produktion ins Ausland. Rund 10 % davon gehen in die USA.

„Das ist viel für mich“, sagt sie ruhig. Ihre Weine tragen klangvolle Namen wie Nuits-Saint-Georges und Chapelle-Chambertin – Namen, die unter Kennern für Begeisterung sorgen.


Zollpolitik unter Trump: Eine tickende Zeitbombe

Am 5. April kündigte Ex-Präsident Donald Trump einen Zoll von 20 % auf EU-Produkte an, darunter auch Wein. Vier Tage später reduzierte er den Satz auf 10 %, drohte aber mit einem Anstieg auf 20 % im Juli – oder sogar auf 50 % zu einem späteren Zeitpunkt.

Tremblay zeigt sich besorgt, will sich jedoch nicht weiter dazu äußern – wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen. Die Stimmung unter französischen Winzern ist angespannt.


Der US-Markt bleibt zentral für Burgund

François Labet, Präsident des Burgunder Weinverbands, spricht deutlicher. Er vertritt rund 3.500 Weinbaubetriebe.

„Die USA sind unser größter Markt – in Menge und im Wert“, betont er.

Während Frankreichs Gesamtexporte von Wein und Spirituosen zuletzt zurückgingen, stiegen die Ausfuhren nach Amerika: 20,9 Millionen Flaschen – ein Plus von 16 %. Der Umsatz lag bei 370 Millionen Euro – 26 % mehr als im Vorjahr.


Burgunds weiße Vielfalt gewinnt an Bedeutung

Trotz ihres Rufs für exzellenten Rotwein besteht zwei Drittel der Produktion in Burgund aus Weißweinen, vor allem aus Chardonnay. Besonders der Chablis ist in den USA sehr beliebt.

Hinzu kommen Crémant de Bourgogne, ein Schaumwein, sowie eine kleine Menge Rosé.

Labet sieht darin Chancen: „Die Konsumenten wenden sich von schweren, alkoholreichen Rotweinen ab. Sie bevorzugen leichtere Weine – und genau das bietet Burgund.“


Erinnerung an frühere Zölle: Ein schmerzhafter Rückblick

Labet erinnert an Trumps frühere Maßnahmen. Damals verhängte er 18 Monate lang einen 25 %-Zoll auf europäischen Wein.

„Unsere Exporte in die USA sind damals um etwa 50 % eingebrochen“, erklärt Labet.

Wenn Trump wie angekündigt erneut an der Zollschraube dreht, droht eine Wiederholung. „Dann wird der Markt fast zum Erliegen kommen“, sagt er.


Branchenverband warnt vor neuen Verlusten

Jérôme Bauer, Präsident des französischen Wein- und Spirituosenverbands, schlägt Alarm. „Beim letzten Mal verloren wir etwa 600 Millionen Dollar“, berichtet er.

Diesmal könnten die Auswirkungen noch gravierender sein, denn es gibt keine Ausnahmen für Champagner oder stärkere Weine.

Seine Forderung ist klar: „Freihandel ohne Zölle.“


Amerikanische Winzer sehen die Entwicklung kritisch

Auch jenseits des Atlantiks herrscht keine Freude. Rex Stoltz vom Verband Napa Valley Vintners sagt: „Das ist katastrophal für uns.“

Korken aus Portugal, Fässer aus Frankreich – viele Materialien stammen aus Europa. Die Zölle verteuern die Produktion und gefährden Lieferketten.


Exportblockade nach Kanada: Folgen des Handelsstreits

Neben Europa trifft der Handelskonflikt auch Kanada. Stoltz schildert: „Kanada war unser wichtigster Exportmarkt. Jetzt gibt es keine Napa-Weine mehr in den Regalen.“

Statt von Zöllen zu profitieren, geraten kalifornische Winzer ebenfalls unter Druck.


Wunsch nach fairer Konkurrenz statt Zollpolitik

Trotz möglicher Wettbewerbsvorteile lehnen viele US-Winzer die protektionistischen Maßnahmen ab.

„Wir wollen fair konkurrieren – mit unseren Freunden weltweit“, betont Stoltz. „Nicht durch künstliche Eingriffe.“


Weingüter weltweit hoffen auf Deeskalation

Die Weinbranche ist stark globalisiert – und leidet besonders unter politischen Unsicherheiten.

Ob in Burgund oder Kalifornien: Winzerinnen und Winzer stehen vor ungewissen Monaten. Der Handel braucht Stabilität. Nur dann kann Qualität wieder im Vordergrund stehen – statt Zölle und Drohungen.

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